Wer kennt sie nicht, die alten Stickbilder (Gobelins) aus Mutters oder Großmutters Zeiten mit Pfeife rauchenden, bärtigen Männern oder Wassermühlen vor blumiger Berglandschaft? Auf der Maker Faire in Hannover traf ich Philipp Eggersglüß, der die ausgesprochen geekige Idee hatte, diesen alten Schätzchen mit zusätzlichen Pixelart-Motiven neues Leben einzuhauchen und fit für moderne Wohnungen zu machen. Das wollte ich auch einmal probieren...
Nach kurzer Suche bekam ich vom Dachboden der Verwandschaft vier alte Gobelins mit unterschiedlichen Motiven in Holzrahmen gefasst. Für den ersten Test sollte es ein kleines Bild sein und so entschied ich mich für das Bild "Einsamer Fischreiher auf einem Bein stehend im Abendrot nach dem Verzehr von einem Frosch und zwei Teichmolchen":
Nun stellte sich die Frage, wie das Bild verändert werden konnte ohne die Stimmung großartig zu verändern. Erst dachte ich an eine Invasion im Stil von Space Invaders, entschied mich dann aber für ein Star Wars Thema mit Todesstern und zwei bis drei TIE Fighter. Anhand verschiedener Vorlagen aus dem Internet pixelte ich mir per Bildbearbeitung am Computer ein paar Motive mit möglichst geringer Farbtiefe zusammen. Da die Stickbilder aufgrund der groben Maschen sehr pixelig aussehen, kann ich später die Motive Pixel für Pixel übertragen. Als nächstes musste ich den Rahmen und die Rückwand des Gobelins entfernen - leider befanden sich weder Bargeld noch Aktienscheine hinter dem Rahmen...
Dann folgte der schwierige Teil: Die Wollfäden der alten Stickerei mussten Zeile für Zeile und Masche für Masche entfernt und mit freien Flächen für die Pixelart-Motive wieder neu verstickt werden. Das war eine ganz üble Maschen- bzw. Pixelzählerei, aber wenigstens wusste ich nun, wie der Gobelin-Kreuzstich funktioniert ;)
Im Anschluss konnte ich die leeren Flächen für den Todesstern und den einsamen TIE-Fighter (für weitere fehlte mir vorerst die Geduld) mit der neuen Stickwolle besticken. Auch hier musste ich wieder jede Menge Pixel zählen, aber insgesamt ging das recht flüssig von der Hand. Man sollte beim Sticken aufpassen, dass die Maschen gut angezogen werden; jedoch nicht so stramm, dass die Vorlage Falten bekommt.
Die Wolle in der passenden Dicke und Farbe hatte ich bereits vorher bestellt. Das häufig in sehr günstigen Sets bestellbare Stickgarn mit vielen Farben ist übrigens zu dünn und nicht geeignet. (und ja, nennt mich ab sofort Wolle-Profi!)
Nach der Stickerei wurden die Ränder der textilen Stickvorlage wieder verleimt und das Bild eingerahmt. Wie meine inzwischen 82-jährige Vorgängerin habe auch ich mir erlaubt, weder Bargeld noch Aktienscheine im Rahmen zu verstecken.
Mit Vorbereitung habe ich etwa 15 bis 17 Stunden an meinem ersten, kleinen Bild gearbeitet. Meine Hochachtung geht nochmal an Philipp Eggersglüß, der schon etliche alte Gobelins modifiziert hat. Vielen Dank für die Inspiration! Es ist wirklich ein Haufen Arbeit und man braucht viel Geduld dafür. Trotzdem überlege ich schon, was ich mit den anderen drei Gobelins anstellen kann...